Montag, 11. März
Es ist Montagabend, ein stürmischer, eiskalter Tag. Der Wind zerrt an den Tauen und die Masten der Segelschiffe singen das Sturmlied. Gestern und heute hat es auch auf 0 m über Meer geschneit und der Boots-Steg ist weiss! Glücklicherweise ist unsere «Fenna» gut isoliert und so ist nur im Steuerhaus die Temperatur leicht unter 20°. Im Salon ist es gemütlich und heimelig. Es fehlt nur noch ein Cheminéefeuer und ein köchelndes Fondue!
Wir sind vor einer Woche losgefahren. Nach dem Mittag sind wir im Elsass bei Dominique und Urs Saurenmann angekommen. Die beiden leben das ganze Jahr auf ihrem Schiff «Ria» (www.surli.ch) und überwintern in Dannemarie. Wir haben sie an Veranstaltungen des Schweizer Schleusenschiffer Clubs getroffen und haben ihre Einladung gerne angenommen, sie zu besuchen, wenn wir einmal auf der Durchfahrt sein werden. Wir lernen zwei sympathische, unkomplizierte Menschen kennen, die uns begegnen, wie wenn wir sie schon seit Jahren kennen würden. Ihre spontane, offene Art hat uns beeindruckt. Wir erzählen uns gegenseitig aus unserer Liebhaberei für ein schweres Schiff und die vielen Erlebnisse und Begegnungen die damit verbunden sind.
Wir haben bei Dominique und Urs auf dem Schiff übernachtet und sind am Dienstag 450 km nach Tilff bei Liège in Belgien weitergefahren. In einem kleinen Hotel hatte ich von zu Hause aus ein Zimmer reserviert. Am Mittwoch sind wir nach 250 km in Huizen angekommen und haben sogleich die «Fenna» ausgewintert. D.h. Heizung gestartet, alle Hahnen geöffnet, Motor und Generator zur Prüfung laufen gelassen. Mit grossen Augen stelle ich fest, dass das Getriebe kein Öl mehr hat. Damit sind wir blockiert und können das Schiff nicht zum Wasserhahn verschieben um Wasser zu bunkern; alle Anschlüsse im Hafen sind noch ausser Betrieb und wir sollten zum Hafengebäude fahren, da es dort einen einzigen Hahn gibt, der frostgeschützt ist und auch im Winter gebraucht werden kann. So müssen wir nun zuerst in der Region einen Betrieb suchen, der das richtige Getriebeöl verkauft. Die ersten Versuche in zwei Garagenbetrieben und einem Autozubehörgeschäft sind gescheitert. Dieses Öl ist offenbar sehr selten. Ich rufe in der Werft an und frage nach einer Adresse. Die Projektleiterin Mandy weiss Bescheid und hilft uns sehr schnell. In der Schmitte in Blaricum werden Kleintraktoren repariert und die haben auch dieses spezielle Öl. Glücklicherweise haben wir das Auto hier im Hafen und so ist es ein Katzensprung von 5 km.
Wir füllen das Getriebe auf und sind wieder mobil, um unsere «Fenna» ans Hafengebäude zu fahren, um 4000 Liter Wasser zu tanken. Wir wissen, dass dieses Füllen rund 4 Stunden dauert. Unterdessen haben wir genügend Zeit, um das Schiff wieder einzurichten. Wir sind überglücklich, dass es uns gelungen ist, das Schiff richtig Einzuwintern und dass trotz des kalten Winters nichts kaputt gegangen ist. Das Getriebe wird in den nächsten Tagen durch den Fachmann geprüft werden.
Benjo ist immer mit dabei und scheint sich über jede Art Gesellschaft sehr zu freuen. Er benimmt sich sehr zivilisiert, abgesehen von seinen kurzen Eskapaden eines pubertierenden Hundejünglings. Oft ist er stürmisch mit uns am Spazieren, doch eigentlich ist es umgekehrt gedacht; wir legen die Route und die Zeitdauer fest…
Mit dem Internet haben wir dieses Jahr erneut Anfangsschwierigkeiten. Wir waren in 3 Läden von KPN, der Swisscom von Holland. Auch wenn wir als Kunde aus dem letzten Sommer noch registriert sind, ist es nicht möglich ein neues Abonnement zu lösen: es fehle der Pass, die Geschäftsregeln hätten sich verändert, es brauche einen festen Wohnsitz in Holland. Jeder Verkäufer hat eine andere Erklärung, warum wir kein Vertrag für ein mobiles Internet abschliessen können. Leicht verzweifelt schicke ich dem damaligen Berater in Groningen, der uns 2012 den Anschluss verkauft hat, ein E-Mail und bitte ihn um Hilfe. Er erinnert sich an uns und bietet sofort seine Unterstützung an. Es brauche, wie letztes Mal, die Bankkontokarte und einen Pass oder Identitätskarte. Leider könne er den Vertrag nicht aus der Distanz mit uns machen. Wir müssen vorbeikommen. Von Huizen nach Groningen sind es 165 km, d.h. 330 km hin und zurück. Wir entscheiden uns, den Weg auf uns zu nehmen und fahren los. In Groningen angekommen, erfasst Rik, der Verkäufer spontan und unbürokratisch alle Daten erneut im Computer. Bei der Eingabe unserer E-Mail Adresse übernimmt das System alle früheren Angaben, gibt die Kreditwürdigkeit frei und gibt damit grünes Licht für die neue Nummer. Wir sind wieder Kunde und haben einen Internetzugang! Was in 3 Läden nicht möglich war, ist in Groningen innert 10 Minuten unterschrieben und erledigt. In Holland ist eben alles ein bisschen anders als in der Schweiz. Nicht schlechter und nicht besser, einfach nur anders. Wir haben immer wieder Gelegenheit, damit unsere Weltoffenheit zu trainieren…
Ostermontag, 1. April
Das eiskalte Wetter hat den ganzen März angedauert. So war es nicht möglich, das Unterwasser-Schiff mit algenabweisender Farbe zu streichen, was eigentlich geplant war und wir mit der Werft in Elburg abgesprochen hatten.
Wir verbringen die Tage mit intensivem Lernen für die Niederländische Fahrprüfung für grössere Schiffe (15 – 25m). Diese müssen wir vorweisen können, wenn wir allenfalls nach Deutschland fahren. Die Schweizer Ausbildung ist überall anerkannt mit Ausnahme von Deutschland. Nach dem Frühstück sitzen wir gemeinsam vor den Computer und arbeiten uns durch einen Online-Kurs. Seit unserer Ankunft auf der «Fenna» lernen wir so jeden Tag 3 Stunden. Alle Wörter, vor allem nautische Begriffe, die wir nicht verstehen, notieren wir laufend in einem Excel-Wörterbuch.
Als Ausländer dürfen wir ein solches benützen aber die Prüfung bleibt in Holländisch. Es ist eine intensive aber sehr befriedigende Lernphase, weil wir beide einiges lernen, das vor allem im Zusammenhang mit der Berufsschifffahrt anders ist als auf einem Schweizer See oder im Mittelmeer: z.B. Vortrittsregeln, spezifische Seezeichen für die Flüsse und Kanäle oder auch Sicherheitsbestimmungen. Der theoretische Prüfungsstoff hat im Gegensatz zur Schweizerischen Prüfung einen sehr konkreten Praxisbezug wie z.B. Anlegemanöver oder technische Kenntnisse von Schiff und Motor. Am Karfreitag, der in Holland kein Sonntag ist, war dann unser Prüfungstag. Mit gemischten Gefühlen machten wir uns auf nach Zwolle. Am PC musste jeder von uns 30 Fragen beantworten… und wir haben‘s geschafft. Nun haben wir einen international anerkannten Ausweis für alle Binnengewässer Europas. Ein bisschen stolz sind wir schon.
Unsere Freunde der Dagens 2, Bernadette und Heinz Gubler verbringen den Winter im Hafen von Antwerpen in Belgien. Wir haben festgestellt, dass es von dort nach Huizen nur 1 ½ Stunden Fahrt mit der Eisenbahn sind. Wenn ein Wiedersehen so einfach zu organisieren ist, dann setzen wir es um: sie sind seit gestern bei uns zu Gast und wir verbringen Ostern zusammen. Da die Witterung weiter winterlich ist, sind wir vor allem im gut geheizten Salon und haben Zeit für Gespräche und eine ausgiebige Joker-Runde. Nur Benjo animiert uns jeweils für einen Spaziergang und damit zu frischer Luft und Bewegung.