Sonntag, 5. Mai
Am letzten Mittwoch lösten wir die Leinen Richtung Elburg. Endlich spielt das Wetter mit: es ist eine längere Periode mit warmen Temperaturen und viel Sonne angesagt. Unsere erste Fahrt diese Saison dauert 5 Stunden bei herrlichstem Wetter. Wir werden entschädigt für den miserablen, nasskalten März und April.
Mit einem 100 Tonnen Kran werden wir in Elburg am Donnerstag aus dem Wasser gehoben und auf einen Bock gestellt, damit nun endlich das Unterwasser mit Algenschutzfarbe gestrichen werden kann. Es sind einige Quadratmeter und die beiden Maler arbeiten 3 Tage mit Schleifen und Malen.
Die Maler sprechen Deutsch und es stellt sich heraus, dass sie Polnische Gastarbeiter sind, die hier in Holland für die Werft arbeiten. Sie erzählen, dass sie immer zwei Monate voll arbeiten und dann für 14 Tage nach Polen zu ihren Familien fahren. Das sei für sie die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hier sind sie deutlich besser bezahlt als in Polen und es sei viel schwieriger dort eine Arbeit zu finden. Seit über 10 Jahren leben und arbeiten sie diesen Rhythmus. Mit einer solchen Begegnung kommt wieder einmal das Gefühl in uns auf, im Leben Glück zu haben und privilegiert zu sein, unser Einkommen angenehmer und familiär verträglicher erarbeitet zu haben.
In Elburg lernen wir auch Isabelle und Walti Hausegger kennen. Sie haben ihr neu gekauftes Schiff «Eventide» hier übernommen. Sie kämpfen noch mit dem Makler, um ein paar technische Mängel zu reparieren. Auch sie erleben, dass wir in der Schweiz sehr verwöhnt sind und wir hier von den Holländern lernen können, mit einem grosszügigeren Zeitverständnis und einem etwas lockeren Qualitätsbewusstsein umzugehen. Es zeigt uns auch, dass 80% in der Regel vollkommen reicht und 100% zu perfekt ist. Und was zu perfekt ist, ist zu teuer oder macht krank. Wie uns letzthin ein Holländer lachend erwähnte: «Ihr Schweizer habt die Uhren, wir haben die Zeit…».
Wir lernen zwei sehr interessante Lebensgeschichten kennen. Unter anderem, dass Walti vor seiner Pensionierung Cheftonmeister des Radioorchesters war und auch im Fernsehen viele Sendungen und Aufnahmen mit bekannten Grössen, wie z.B. Kurt Felix, Howard Griffiths oder mit Pepe Lienhard aufgenommen und gemischt hat. – Schon bald kann ich ein Buch über all die hoch interessanten Begegnungen schreiben. – Heute Morgen haben die beiden abgelegt und die 1025 km nach Hagenbach im Elsass in Angriff genommen. Viel Vergnügen!
Sonntag, 12. Mai
Wir sind seit letztem Mittwoch wieder im Wasser und sind auf dem Gelände des Betriebes, der uns die «Fenna» verkauft hat. Die beiden Maler haben auch das ganze Deck des Schiffes nochmals geschliffen und bemalen, da es letztes Jahr auf die neu gestrichene Farbe geregnet hat. Dadurch entstanden kleine Blasen, die dann letzten Herbst und Winter in der Kälte geplatzt sind.
Der Schreiner Erik baut uns noch ein schiffiges Sideboard ein, das zum Design des Innenausbaus stimmt. Damit bekommen wir noch etwas mehr Stauraum im Salon.
Die beiden Dieseltanks, roter Diesel für die Heizung und Generator, sowie der weisse Diesel für den Fahrmotor, werden miteinander verbunden. Roter Dieseltreibstoff, der bis anhin steuerbegünstigt war, wurde am 1.1. 2013 abgeschafft. Damit haben wir nur noch weisses Dieselöl, das wir in beide Tanks füllen können und so alle Aggregate aus allen Tanks betreiben können.
Neben den Arbeiten am Schiff sind wir auf langen Spaziergängen mit Benjo. Natürlich gehört auch das Einkaufen dazu, das wir mit dem Hund etwas anders organisieren müssen: Therese geht oft mit dem Fahrrad ins nächste Einkaufszentrum und ich bleibe mit dem Hund auf dem Schiff, oder aber wir sind alle Drei unterwegs und vor dem Laden wartet eines von uns mit Benjo bis das andere alles beisammen hat.
Diese Woche war noch Elburger Vestingval, das ein reichhaltiges Programm an Musik und Kultur bietet. Wir konnten den Turm besichtigen und besuchten das Elburger Museum, das vor allem dem einheimischen Schaffen gewidmet ist.
Pfingstmontag, 20. Mai
Es regnet in Strömen und ist mit 12 Grad erfrischend kalt. Wir haben die fast dreiwöchige Werftzeit hinter uns.
In den letzten Tagen haben wir mehrfach eine Schweizer Flagge in Elburg vorbeifahren gesehen. Bis anhin trafen wir ganz wenig Landsleute, die mit einem Schiff unterwegs sind. Die Yacht «Aurora» führte neben der Schweizer Flagge den Stander des Schleusenschiffer Klubs und so lernten wir Heldrun und Robert Spörri kennen. Sie haben verschiedene lange Reisen mit ihrem Boot gemacht und es war sehr spannend und unterhaltsam, ihre nautischen Erlebnisse erzählt zu hören.
Die «Janine», die 1926 gebaut wurde diente als «Vorlage» zum Bau unserer «Fenna». Sie wurde diese Tage an Jackie und Geoff Hart verkauft. Die beiden erfahrenen Seefahrer kommen aus Australien und übernehmen das Schiff im September. Sie besuchten uns kurz, um unseren Ausbau anzusehen.
Freitag, 24. Mai
Wir sind seit 4 Tagen am Ijsselmeer, in Urk. Ein wunderhübsches Fischerdörfchen, das eine lange Geschichte hat. Eigentlich wollten wir weiter nach Den Helder, d.h. quer übers Ijsselmeer. Der erste Versuch vorgestern scheiterte, weil die Sicht sehr schlecht war und wir ohne Radar die rund 3-stündige Fahrt nicht wagen wollten. In unserem Alter sind ja Mutproben eher out… Der heutige, zweite Versuch misslang erneut, da diesmal der Wind und die Wellen so stark resp. hoch waren, dass uns der halbe Haushalt durchs Schiff flog und wir nach einer halben Stunde wieder umgekehrt sind.
Umso mehr freut uns, dass uns in dieser Wartezeit Thesi und Martin Eberhard besuchen. Sie sind mit ihrem Schiff «Veranderen» in Harlingen in Friesland auf der Werft und sind, ähnlich wie wir, während ein paar Wochen «festgebunden», um Anpassungen und Verbesserungen an ihrem Schiff vornehmen zu lassen. Sie haben ihr Auto mit dabei und so sind sie mobil.
Sie haben vor gut einem Jahr, praktisch zeitgleich mit uns ihr schönes Schiff gekauft und sind ebenfalls im letzten Jahr erstmals damit unterwegs gewesen. Durch den Schweiz. Schleusenschifferklub haben wir uns kennen gelernt und haben seither regelmässigen Kontakt.
Heute ist es etwas ruhiger geworden und wir beschliessen gegen den Südwind das kurze Stück übers Ijsselmeer ins Ketelmeer zu fahren. Danach steuerten wir die «Fenna» übers Zwaarte Water nach Zwartsluis.
Wir haben gehört, dass Charlotte und Christian Huber von Elburg nach Zwartsluis unterwegs sind und so ergab sich spontan eine erneute Gelegenheit, sie mit ihrer «Kinette» zu sehen. Auf dem Kettelmeer kamen sie hinter der Insel hervor, direkt auf uns zu. Wenn wir einen Termin abgemacht hätten, hätten wir uns bestimmt verpasst… So fuhren wir wieder einmal zusammen ein kleines Stück und legten in Zwartsluis an. Bei Kaffee und Kuchen berichteten wir uns über unsere Aufenthalte auf den Werften, Änderungen und Neuerungen an den beiden Schiffen und vor allem über die bevorstehenden Reisen auf dem Wasser. Charlotte und Christian sind unterwegs nach Berlin.
29. Mai
Nach 2 Tagen in Zwartsluis fahren wir weiter, allgemeine Richtung Norden, Friesland. Hubers sind bereits einen Tag davor aufgebrochen.
Mit Hilfe des PC können wir sehr einfach die Route bestimmen und auch davon abweichen. Mit den Abmessungen des Schiffs, schlägt er eine Route vor, die zum Ziel führt und die mit unserer Grösse zu fahren ist, d.h. Breite, Höhe und Tiefgang des Schiffs entsprechen dem Vorschlag des Computers. Als Möglichkeit können wir noch wählen, ob wie die schnellste, die kürzeste, die optimalste oder eine touristische Route fahren möchten. Die Technik sei Dank ist damit die Planung und Vorbereitung wesentlich einfacher geworden. Die Reise selbst bleibt immer ein kleines Abenteuer mit unvorhersehbaren Überraschungen, sei es ein riesiges Schiff, eine Schleuse die viel Strömung hat oder einfach der Holländische Wind, der die Manöver gelegentlich zu Herausforderungen werden lässt.