Montag, 15. Juli
Am 3. Juli biegen wir in den Mittellandkanal ein und verlassen die Ems. Nun geht’s 324 km fast gerade aus, es gibt nur 2 Schleusen und nicht eine einzige Brücke, die für uns geöffnet werden muss. Wir kommen gut voran und fahren pro Tag zwischen 40 und 60 km. Wir haben einzig auf den Berufsverkehr acht zu geben. Ihre Schiffe sind fast alle 86 m lang und 9 m breit. Sie transportieren zwischen 1000 und 1500 Tonnen, was ungefähr einer Kolonne von 35 Lastwagen mit 40 Tonnen entsprechen würde. Es sind Tankschiffe und Schüttgutschiffe die Kohle, Sand, Kies und Getreide transportieren. Hin und wieder kommt ein Containerschiff entgegen. Wenn sie beladen sind fahren sie mit einer Geschwindigkeit von 8-9 km, leer können sie aufdrehen und fahren mit 12-13 km. Mit der «Fenna» fahren wir um die 12 km pro Stunde.
Die ursprünglichen Ufer sind hässliche Spundwände, die optisch der Natur wehtun und für uns unangenehm sind, weil sie die Wellen der anderen Schiffe zurückschlagen und sich das Wasser fast nicht mehr beruhigt. D.h. wenn uns ein Schiff kreuzt, dauert es ca. 10 Minuten, bis das Schaukeln aufhört. Am Unangenehmsten sind die normalen Jachten 10 – 15 m. Sie fahren meist etwas zu schnell und machen sehr hohe Wellen. Ein Frachtschiff schiebt zwar Wasser vor sich hin, das dann an den Seiten nach hinten abfliesst und damit Strömung verursacht. Aber es gibt keine Wellen. Die sanierten Ufer haben Spundwände bis 20 cm unter der Wasseroberfläche und anschliessend ein «natürliches» Ufer aus Natursteinen, das mit Schilf und Gras bewachsen ist. So können auch Wasservögel wieder nisten. Diese Ufer sind auch für uns viel angenehmer, da die Wellen darin auslaufen.
Es gibt alle ca. 10 km Anlegestelle für Berufsschiffe, an denen wir Kleinen an den Enden jeweils auch benützen können. Doch schöner finden wir die Freizeithäfen, die es ebenfalls gibt. Sie sind meist mit einem Campingplatz kombiniert. Sie sind gepflegt und wir können das Schiff immer gut festmachen.
Bei Kilometer 245 befindet sich eine schöne Anlegestelle der Autostadt Wolfsburg. Die Autostadt ist die riesige Ausstellung der VW und nicht die eigentliche Stadt Wolfsburg. Dieses riesige Gelände zeigt die gesamte Palette der Marken von Volkswagen: unter anderem Audi, Porsche, Lamborghini, Seat, Skoda, etc. Ergänzend dazu ist die ganze Geschichte dieses grossen Konzerns mit entsprechenden Exponaten anschaulich dargestellt. Wir nehmen einen Augenschein und lassen uns mit einer Werkstour die Produktion der VW Golfs zeigen.
Am 10. Juni 13:30 überqueren wir auf einem gigantischen Aquädukt die Elbe. Da nicht viel Berufsverkehr herrscht, gab uns die Verkehrszentrale ohne warten zu müssen sofort die Freigabe zum Passieren des speziellen Bauwerks.
Nach gut einer Woche haben wir die Kilometermarke 324 des Mittellandkanals erreicht und fahren auf dem Elbe-Havel-Kanal weiter bis nach Genthin. Dort liegt seit 3 Wochen die «Kinette» mit defekter Antriebswelle. Das haben wir per E-Mail von ihrer Crew, Charlotte und Christian Huber erfahren. Da die nautischen Betriebe immer noch mit Schäden des Elbehochwassers überlastet sind, dauert die Reparatur sehr lange und es geht nur sehr schleppend vorwärts. Am Donnerstag, 11. Juli legen wir auf dieser Werft ebenfalls an. Wir freuen uns über das ungeplante Wiedersehen aber wir spüren, dass diese Situation sehr an den Nerven der beiden zehrt. So beschliessen wir, das Wochenende zusammen zu verbringen und mit der «Fenna» nach Brandenburg zu fahren. Bei strahlendem Wetter legen wir auf der Werft ab, lassen die «Kinette» für 2 Tage alleine und steuern gemütlich auf dem Elbe-Havel-Kanal zu den Seen, die vor der historischen Stadt liegen. Die neue Umgebung des offenen Wassers und die Havel, auf der wir mitten in die Stadt fahren und dort festmachen, ist Entspannung, Motivation für Neues und Erholung gleichzeitig; für uns nach den langen Fahrtagen, für Huber’s nach den mühsamen Wochen auf der Werft.
Wir haben uns viel zu berichten seit der letzten Begegnung in Zwartsluis am 24. Mai. Wer mit dem Schiff über 600 km zurückgelegt hat, weiss einiges zu berichten...
Benjo findet immer wieder neue Gegebenheiten vor, sich an Land zu bringen. Für uns ist es spannend zu sehen, wie er in seiner vorsichtigen Art, wackelige Stege, Gitterroste oder steile Treppen erkundet und versucht diese zu überwinden.
Montag, 29. Juli
Am Montag, 15. verabschieden wir uns von Charlotte und Christian und fahren bis Brandenburg und danach weiter nach Ketzin. Wir übernachten in diesem Dorf und fahren am nächsten Tag nach Potsdam. Wir fahren mitten durch die Stadt und finden dort einen freien Steg. Per Telefon fragen wir die Hafenmeisterin, ob wir diesen Platz belegen können. Sie sagt und zu und wir haben einen wunderschönen Liegeplatz an bester Lage bei der Humboldtbrücke, unweit vom Park Babelsberg und von der Altstadt. Wir verbringen die nächsten Tage in dieser kleinen aber sehr schmucken «Marina am tiefen See». Frau Buchardi ist nicht nur die Hafenmeisterin sondern auch die Besitzerin, die mit ihren Empfehlungen besticht: sie stellt uns eine Route zusammen, die wir mit den Fahrrädern selber erkunden können Park und Schloss Babelsberg. Die Glenickerbrücke und Schloss Cecilienhof sind beides geschichtsträchtige Zeugen während 2. Weltkrieges, danach weiter am Marmorpalais vorbei und durch die Nauener Vorstadt in die Altstadt und zum Brandenburger Tor.
Obwohl wir mit unserem geschichtlichen Wissen eher bei den Banausen sind, beeindrucken und faszinieren uns diese Monumente. So lassen wir uns am darauf folgenden Tag mit dem Touristenbus nochmals durch diese Zeitepochen fahren. Während 3 ½ Stunden sind wir im Bann von Reiseleiter Torsten, der auf spannende und sehr unterhaltende Weise Geschichten und Legenden der Preussen-Könige und ihrem Gefolge berichtet, so als sei es gestern gewesen.
Nach 3 Tagen in Potsdam legen wir am Montag, 22. ab. Ziel ist Berlin-Spandau Altstadthafen. Die kurze Strecke von 27 km zieht sich durch die Seen westlich in Berlin. Wir kommen an einen Platz der nicht sehr attraktiv ist. D.h. der Hafen ist neu und hat Strom und Wasser. Hingegen ist die Umgebung ein etwas heruntergekommener Teil von Spandau. Die Menschen den wir begegnen sind etwas schwierig einzuschätzen und wir fühlen uns nicht besonders wohl. Der Hafen ist abgeschlossen, so fühlen wir uns trotzdem sicher. Am nächsten Tag fahren wir nordwärts nach Oranienburg. Noch ein Stück fahren wir auf den Seen und kommen dann wieder auf die Havel. An dieser Stelle ist sie schmal. Das kreuzen von 3 grossen Berufsschiffen verlangt langsames Fahren und Konzentration.
Oranienburg, das an einem Seitenarm der Havel liegt, ist wieder einmal eine kleine Perle. Der hübsche Hafen wurde erste 2009 für die Deutsche Landschaftsgarten-Ausstellung gebaut und ist noch auf keiner Karte eingetragen.
Hier haben wir eine Verschnaufpause eingeschaltet, um die vielen Kilometer und Eindrücke etwas zu verdauen. Auch die Pflege des Schiffs hat etwas gelitten und wir nutzen die Zeit bis unsere Enkel kommen, dies nachzuarbeiten. Wir haben auch ein Mietauto zur Verfügung, um Einzukaufen, etwas die Gegend zu erkunden und dann am Montagabend die Kinder abzuholen. Wir versuchen auch noch herauszufinden, wie stark die nördlichen Seen übervölkert sind. So bekommen wir ev. einen eigenen Eindruck für unsere Routenplanung. Alle reden von fehlenden Plätzen und überfüllten Kanälen und Seen. Bis jetzt können wir nichts von dem bestätigen. Benjo getraut sich mittlerweile zu schwimmen aber noch nicht ganz so mutig. Eine Wasserratte ist er bis jetzt nicht.
Bei einem Apéro lernen wir auch wieder einmal die sympathische Crew eines Schweizer Schiffs kennen: Doris und Hans Rivoir sind mit ihrer Yacht «Gamin» angekommen. Sie fahren für einen Monat in die Schweiz zurück und lassen ihr Boot hier bei Hafenmeister Zander.